Sonntag, 9. März 2008

DIESTEINZEIT-ung

DIESTEINZEIT-ung erhielte einen brief von einem leser, der probleme mit der literaturveranstaltung "litcologne" in Köln hat, bei der ein funkhaus eifrig mitmacht.
Schon wochen vorher wurden die hörer gegen ihre gepflogenheiten eingedeckt mit eigenwerberischen berichten, ankündigungen über veranstaltungen im rahmen dieses ereignisses. Immer klarer stellte sich heraus, dass es weniger um literatur denn um eigenwerbung ging. - Dies zeigte deutlich, dass die veranstaltungen - beispielsweise ein 24-stunden-marathon - nur von mitarbeitern des senders und von den literarischen bazis der intendanz bestritten wurden.
Das motto dieser gesamtveranstaltung drehte sich um t r ä u m e, und das war ein thema, wo schon längst abgetakelte flaggschiffe des schaugeschäfts nochmals zur hochform auflaufen (durften).
Dieser besagte leser stellte also die frage, ob beispielsweise s e i n e geschichte "Ich hatte einen Traum . . ." die geringste chance gehabt hätte, dort vorgetragen zu werden.
DIESTEINZEIT-ung hegt die gleichen zweifel; nicht etwa, weil diese geschichte nicht g u t sei. Nein, das unbekannte, das neue, oder "gewöhnungsbedürftige" (eine metapher für das neue) verhindert stets das reüssieren eines neuankömmlings, weil zu viele den erfolg -tatsächlich!- g e p a c h t e t haben, und ihn nicht mehr loslassen wollen. . . .
Und hier die geschichte:


Ich hatte einen Traum . . .
Ich träumte von einem großen, blitzenden Reisebus, der sich auf der Autobahn in Richtung Frankreich bewegte.
In diesem Reisebus sitzen alte Frauen, die ihre auskömmliche Altersversorgung dazu benutzen, um einen kleinen Wochenendausflug nach Frankreich zu machen. Ich sehe, wie sie am Ziel jubelnd und trubelnd vor einer Mauer stehen, an der siebzehn französische Patrioten von deutschen Soldaten - eben den Männern dieser Rentnerinnen - erschossen worden sind. Schaudernd und gruselnd besichtigen sie die Einschusslöcher der Gewehrkugeln, die die Körper der siebzehn Männer durchbohrt haben. -
- Blende. Alles zurück . . .
Ich sehe einen kleinen unscheinbaren Reisebus, der sich in Richtung Frankreich bewegt. In dem Bus sitzen alte Damen und Herren. Sie unterhalten sich, nicken von Zeit zu Zeit, und verweigern eben so oft Zustimmung durch leichtes Kopfschütteln.
Im Mittelgang dieses Reisebusses liegen vier große, mit Blumen geschmückte Kränze.
Die Reisegesellschaft steigt an einer Mauer irgendwo in einem Ort in Nordfrankreich aus. Die Mauer gilt in diesem Ort als Denkmal für die Gefallenen des Krieges. Der Bürgermeister des kleinen Orts empfängt mit blau-weiß-roter Schärpe um den Leib die Reisegesellschaft.
Die Reisegesellschaft legt an diesem Ort die Kränze als Andenken an die Toten nieder.
- Blende -
Ich träumte, es ist Silvester. K e i n Ministerpräsident irgend eines deutschen Bundeslandes würde eine nichtssagende Neujahrsansprache halten. Ein katholischer Pfarrer in einer Kirche zieht anstatt der Neujahrspredigt eine Tonbandkassette aus der Soutane. Er läßt anstelle der Predigt das Lied der Kölner Rockgruppe B A P K r i s t a l l n a c h t abspielen. Anschließend gibt es dann eine Diskussion. Der gewiefte, junge Pfarrer hat für die, die den Dialekt nicht so beherrschen einen Fachmann vom Heimatverein - Abteilung Mundart - als Dolmetscher mitgebracht. Während der Diskussion störte es überhaupt nicht, das Einige - überwiegend Ältere - die Kirche verlassen.
- Blende -
Ich träumte weiter, der große und weise Vater irgend eines deutschen Bundeslandes ließe den Sozialetat verabschieden. Nach vielen Mühen im Parlament geht der Sozialetat mit - sagen wir - 100 Millionen Mark durch. Alles atmet erleichtert auf; auch diejenigen, denen der Etat gewidmet ist.
Nachdem die Einzeletats (Gebühren für Ärzte, Gehälter für Bedienstete, Unterhaltung der Gebäude, Sozialgerichtsbarkeitswesen, Gutachter, Kongresse, Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung, u.s.w., u.s.w. fein säuberlich aufaddiert waren, kommt man auf die stolze Summe von neunundneunzig Millionen neunhundert-neunundneunzigtausend neunhundertneunundneunzig Mark. Diese Summe, gewissenhaft von 100 Millionen Mark abgezogen, ergibt genau eine Betrag von einer Mark. Dieser Betrag kann also an die Anspruchsberechtigten verteilt werden, denen der Sozialetat schließlich gewidmet ist, und die einen gesetzlichen Anspruch auf diese Leistung haben.
Ich träumte weiter, ich sähe ein großes, imposantes Verwaltungsgebäude, mit einem winzigen Eingangstor. Auf dem weiten großen Platz vor dem imposanten Gebäude mit dem winzigen Eingangstor stände eine gewaltige Menge Bedürftiger, die warteten.
Das Eingangstor öffnete sich, ein Berufs-Oberbeamter käme gebückt heraus, und hielte eine Ein-Mark-Münze hoch in der Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt. Er würfe diese Münze dann in die Menge.
- Das furchbare Gedränge nach der Münze habe ich nicht mehr erlebt, weil ich schweißgebadet aufwachte . . . E war - Gottseidank! - nur ein Alptraum. -
Danach konnte ich nicht mehr einschlafen und habe überlegt, was der Glückliche mit dem Sozialetat gemacht haben könnte, sofern er ihn ergattert hätte.
Nun: Er hätte sich einen Lollipop oder besser, ein Eis am Stiel kaufen können. Denn es war gerade Sommer . . .

Dazu passt, dass Martin L. K i n g ebenfalls einen "Traum" hatte. Sagte er doch in seiner berühmten "Traumrede" ,Gott wird mich erhalten bis ans Ende meiner Tage', welches dann auch sehr schnell kam. Ein quäntchen Nitrozellulose, ein paar gramm Kupfer und Blei, richtig platziert, verkürzten seinen unerschütterlichen glauben an die fürsorge Gottes erheblich.-
Wer nochmehr von - alternativ literarischen -träumen lesen möchte, dem sei folgender link empfohlen:http://www.amazon.de/AnnA-hat-getr%C3%A4umt-NeoLit-Neanderthal/dp/3833482249

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